Der Guide zur Gehphase: Wenn Ihr Baby die ersten Schritte macht
Ein Artikel von Laura Mittet, Kinderphysiotherapeutin

Im ersten Lebensjahr durchläuft Ihr Baby eine beeindruckende motorische Entwicklung – vom Liegen auf dem Rücken als Neugeborenes über das Rollen, Kriechen und Krabbeln bis hin zum Aufrichten.

Wenn Ihr Baby sich zum ersten Mal hinstellt, öffnet sich eine völlig neue Welt: Es kann seine Umgebung auf Augenhöhe betrachten, sich zwischen Möbeln bewegen und bald die ersten eigenen Schritte wagen.

In diesem Artikel erfahren Sie, wie die Gehphase auf den Erfahrungen der Krabbelphase aufbaut und wie Sie Ihr Baby mit Aktivitäten und Spielen unterstützen können, die Lust auf Bewegung machen und gleichzeitig Kraft und Gleichgewicht fördern.

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Vom Krabbeln zum Stehen – und weiter geht's

Nachdem Ihr Baby das Krabbeln gemeistert hat, treiben Neugier und der Wunsch, höher hinauszukommen, die Entwicklung weiter voran.
Beim Krabbeln entwickelt Ihr Baby Koordination, Körperbewusstsein und Kraft – und wird nach und nach beginnen, sich hochzuziehen. Oft stützt es sich dabei an Möbeln oder an Ihren Beinen ab, kommt in den Kniestand, setzt einen Fuß auf den Boden und richtet sich von dort ganz auf.

Beim Stehen trainiert Ihr Baby Kraft, Gleichgewicht und Körperkontrolle – wichtige Grundlagen für sicheres und stabiles Gehen.

Wichtig ist, dass Ihr Baby lernt, sich über die Beine aufzurichten. Die stehende Position erfordert neue Stabilität in Hüften, Oberschenkeln und Fußgelenken. Wenn es sich stattdessen stark mit den Armen hochzieht, verlagert sich die Belastung auf den Oberkörper, was die Kontrolle in den Beinen erschwert.

Im Stehen entdeckt Ihr Baby die Welt aus einer neuen Perspektive. Es kann nun nach Dingen greifen, Gegenstände aufheben und seine Umgebung aus einem neuen Blickwinkel erkunden. Mit jedem Aufstehen, Hinsetzen und Entlanglaufen an Möbeln wird Ihr Baby kräftiger und sicherer.

Der Weg zu den ersten Schritten

Alleine zu gehen ist einer der größten Meilensteine in der Entwicklung Ihres Babys – doch der Weg dorthin besteht aus vielen kleinen Etappen. Zuerst muss Ihr Baby stabil stehen sowie sich mehrmals hintereinander aufrichten und wieder hinsetzen können. Dadurch werden Muskeln in Hüften, Knien und Fußgelenken gestärkt.

Danach folgt das seitliche Entlanglaufen an Möbeln, bei dem Ihr Baby lernt, das Gewicht auf ein Bein zu verlagern, während das andere einen Schritt macht. Diese Gewichtsverlagerung und Koordination sind entscheidend, um später frei nach vorne gehen zu können.

In dieser Phase entwickelt Ihr Baby außerdem weiter seine Überkreuzbewegungen, die bereits beim Krabbeln wichtig waren. Jetzt müssen rechtes und linkes Bein rhythmisch zusammenarbeiten – die Grundlage für sicheres Gehen, Laufen und Springen.

Auch das Raumgefühl und die Bewegungsplanung verbessern sich: Ihr Baby lernt, Distanzen einzuschätzen, zwischen Möbeln zu balancieren und neue Wege zu finden. Viele Babys krabbeln oder laufen noch lange an Möbeln entlang, weil es schneller und sicherer ist – und das ist völlig in Ordnung. Je mehr Zeit Ihr Baby hat, diese Bewegungen zu üben, desto stabiler und sicherer wird es später selbstständig gehen.

So können Sie die Entwicklung Ihres Babys unterstützen

Als Eltern können Sie viel tun, um Ihr Baby in der Gehphase zu unterstützen – doch das Wichtigste ist manchmal, was Sie nicht tun. Vermeiden Sie es, Ihr Baby beim Gehen zu „trainieren“, indem Sie es an den Händen halten oder ziehen. In solchen Situationen halten Sie das Gleichgewicht, nicht Ihr Baby – und es verpasst wertvolle Übung darin, seinen Körper selbst zu spüren, das eigene Gleichgewicht zu finden und Schritt für Schritt sicherer zu werden.

Sorgen Sie stattdessen für ausreichend Bodenzeit, ein sicheres Umfeld und Möglichkeiten, sich selbst hochzuziehen, an Möbeln festzuhalten und allmählich loszulassen. So entwickelt Ihr Baby ganz natürlich Kraft, Gleichgewicht und Körperkontrolle – im eigenen Tempo.

Erinnern Sie sich daran, dass motorische Meilensteine wie Krabbeln oder Gehen Orientierungspunkte, keine Fristen sind. Jedes Kind entwickelt sich unterschiedlich – entscheidend ist, dass Ihr Baby kontinuierlich kleine Fortschritte macht. Schaffen Sie Geborgenheit, loben Sie Ihr Kind und lassen Sie es selbst bestimmen, wann es bereit ist.

Spiele und Aktivitäten, die die Gehphase fördern

Spiel ist die beste Unterstützung für die motorische Entwicklung.
In der Gehphase gibt es viele unterhaltsame Aktivitäten, die Muskeln, Gleichgewicht und Sinne stärken – und dabei zeigen, dass Bewegung Spaß macht.

Spiele für die Sinne

Ein wichtiger Teil des Laufenlernens ist, dass Ihr Baby Beine und Füße bewusst wahrnimmt. Sie können dies fördern, indem Sie die Tast- und Bewegungssinne anregen:

  • Sanfte Druck- und Streichbewegungen an Beinen und Füßen – mit den Händen oder kleinen Hilfsmitteln wie Schwämmen, Pinseln oder Massagebällen.
  • Barfuß spielen lassen, damit Ihr Baby den Untergrund spürt und die Stabilität in den Füßen stärkt.
  • Fühlkisten mit Reis, Nudeln, Wasserperlen oder Sand machen den Tastsinn auf spielerische Weise erlebbar.
  • Schaukel-, Wipp- und Rutschspiele trainieren den Gleichgewichtssinn und vermitteln Freude an Bewegung.
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Stehspiele

Wenn Ihr Baby beginnt, sich hochzuziehen, sind Spielsachen in Stehhöhe – wie eine Kinderkasse oder Bausteine auf dem Couchtisch – ideal, um das Stehen zu üben.

Legen Sie kleine Gegenstände auf den Boden, die Ihr Baby aufheben und mitnehmen kann. So trainiert es Kraft, Gleichgewicht und Koordination beim Auf- und Abbewegen.

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Gehspiele

Wenn Ihr Baby sicherer auf den Beinen ist, können Sie neue Herausforderungen anbieten:

  • Unterschiedliche Untergründe – wie Kissen, Matratzen, Gras oder Sand – fördern Gleichgewicht, Stabilität und Körperkontrolle.
  • Kleine Hindernis- oder Bewegungsparcours mit Möbeln, Kissen, Tunneln oder Stühlen laden zum Krabbeln, Gehen, Klettern und Hüpfen ein. Das stärkt Kraft, Gleichgewicht und Raumwahrnehmung.
  • Schiebespielzeug wie eine Lauflernhilfe, ein Puppenwagen oder ein Stuhl ist ideal, sobald Ihr Baby ohne Hilfe gehen kann. Es lernt, Tempo und Richtung zu steuern, und kann Spielzeug von A nach B transportieren.
  • Fangspiele oder Ballonspiele trainieren die Fähigkeit, das Tempo zu wechseln, zu bremsen und die Bewegungen zu koordinieren – und bringen jede Menge Spaß an Bewegung.

Die weitere Entwicklung

Wenn Ihr Baby die ersten Schritte alleine macht, beginnt eine neue, aufregende Phase voller Möglichkeiten. Jetzt geht es darum, die Freude an Bewegung zu fördern, damit Ihr Kind weiterhin neugierig und aktiv bleibt. Mit zunehmendem Alter benötigt Ihr Kind mehr Abwechslung und Herausforderungen.

Sie können Balanceübungen einbauen – etwa auf einer Linie gehen, springen, einen Ball treten oder auf einem Bein balancieren. Für manche Kinder kann es auch hilfreich sein, eine Freizeitaktivität oder einen Spielplatz zu besuchen, der neue Bewegungserfahrungen ermöglicht und die Motorik stärkt.

Sobald Ihr Baby laufen lernt, eröffnet sich eine ganz neue Welt der Bewegung.
Sich aufzurichten und die ersten Schritte zu machen, erfordert Kraft, Gleichgewicht, Koordination und Mut – all diese Fähigkeiten bauen auf den vorherigen Entwicklungsphasen auf.

Als Elternteil können Sie Ihr Baby unterstützen, indem Sie eine sichere Umgebung schaffen, die Raum für Übung und Selbstvertrauen bietet. So helfen Sie Ihrem Kind, selbstständiger zu werden, Freude an Bewegung zu entwickeln und die Welt auf eigenen Beinen zu entdecken.

Laura Mittet | Motorikland

Laura Mittet (34) ist Mutter von drei Töchtern, Kinderphysiotherapeutin und hat einen Master in Pädagogischer Psychologie. Sie verfügt über langjährige Erfahrung mit Kindern – sowohl in Ihrer eigenen Praxis als auch in der Kinderpsychiatrie.

Seit 2022 ist sie Teil von „Rødovre Fysioterapi“ und „Sundhedshus“ sowie Mitbegründerin von „Motorikland“ – einem Angebot für Babys, Kinder, Schwangere und Eltern in der Zeit nach der Geburt. Dort werden Physiotherapie, Gruppenkurse und Workshops rund um Bewegung, Spiel, Nähe und fachliche Sicherheit angeboten.